Tipps für Profis

Die Kunst der Chronifizierung psychisch Kranker
Tipps für professionell Helfende
Von Susanne Heim

Es ist keine Schande, chronisch psychisch krank zu sein – aber es ist eine Schande, chronisch psychisch Kranke links liegen zu lassen. Chronische Verläufe wird es (auch) bei psychischen Erkrankungen wohl immer geben. Behandler und beruflich Helfende mögen dies als Kränkung erleben. Gleichwohl dürfen die Betroffenen nicht dafür bestraft werden, dass man mit ihnen keinen Staat machen kann. Auch sie haben ein Recht auf einen Platz in unserer Mitte – und wenn es ihnen da zu eng ist: in einer Nische am Rande unserer Gesellschaft.

Lässt sich Chronifizierung nicht immer verhindern, so lässt sie sich doch kräftig fördern. Dazu einige Empfehlungen für professionell Helfende in und außerhalb der Klinik:

  • Machen Sie sich niemals mit ihren Patienten/Klienten gemein!
    Zum Schutz vor Distanzlosigkeit tragen Sie stets den weißen Kittel
    – selbstverständlich ohne Namensschild!
  • Betrachten Sie Ihr Gegenüber grundsätzlich durch die diagnostische (Krankheits-)Brille und konzentrieren Sie Ihre Aufmerksamkeit
    auf seinen labilen Hirnstoffwechsel.
  • Vermeiden Sie persönliche Gespräche.
    Bloß keine Beziehung aufkommen lassen!
  • Behandeln statt verhandeln! Sie sind schließlich der Experte
    und wissen am besten, was für psychisch Kranke das Beste ist.
    Zum Beispiel:
  • Bei Aufnahme in stationäre Behandlung
    sofort auf innovative Medikation (Atypika) ein- bzw. umstellen
    - was sich bislang bewährt hat, ist uninteressant.
  • Äußerungen von Missbehagen unverzüglich medikamentös deckeln.
    Insbesondere in Krisensituationen: Erst spritzen – dann sprechen!
  • Keine Psychotherapie bei Psychosen!
  • Kontaktsperre – Patienten müssen vor ihrer krank machenden Familie geschützt werden, Kinder, insbesondere minderjährige, vor ihren psychisch kranken Eltern.
  • Keine Gespräche mit Angehörigen, schon gar keine Einbeziehung in Behandlung und Entlassungsvorbereitung
    – egal, bei wem Ihr/e Patient/in lebt.
  • Kürzest mögliche Verweildauer. Kurzfristige Entlassung ohne verbindliche Absprachen oder Weiterleitung, dafür aber, insbesondere nach der ersten stationären Behandlung, mit einer klaren Prognose: wahlweise
    „Sie sind geheilt. Das kommt nie wieder“ oder
    „Sie müssen Ihr Leben lang Medikamente einnehmen, um Rückfälle zu verhindern.“
  • Bewerten Sie jede Krise als Katastrophe.
  • Und weil vulnerable Leute ja so gefährdet sind:
    Versorgen Sie ggf. kooperative Angehörige von uneinsichtigen Patienten mit den notwendigen Rezepten, damit sie die Medikamente heimlich verabreichen können.
  • Vermeiden Sie ansonsten multiprofessionelle Teamarbeit auf Station ebenso wie Kooperation zwischen Klinik und extramuralen Diensten und Einrichtungen.
  • Verschonen Sie Ihre Patienten/Klienten mit Hinweisen auf Selbsthilfegruppen und der Ermutigung zur Eigeninitiative.
  • Last but not least: Betreiben Sie professionelle Öffentlichkeitsarbeit.
    Klären Sie über Häufigkeit, Gefährlichkeit und Symptome psychischer Erkrankungen auf. Engagieren Sie sich für flächendeckendes Screening zur Früherkennung zwecks frühest möglicher pharmakotherapeutischen Intervention. Medikation vor Manifestation!
     

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